Emotionale Intelligenz: Die unterschätzte Superkraft bei Musikern
- Dr. Teresa Wenhart
- 1. Juni
- 2 Min. Lesezeit
In einer Welt, die immer komplexer wird, suchen viele Menschen nach Wegen, um beruflich und privat besser zurechtzukommen. Musiker:innen sind dabei keine Ausnahme. Egal ob im Proberaum, auf der Bühne oder im Umgang mit sich selbst – neben Technik, Ausdruck und Disziplin braucht es oft noch etwas ganz anderes: Emotionale Intelligenz.

Was ist emotionale Intelligenz?
Der Begriff wurde in den 1990er Jahren durch den Psychologen Daniel Goleman populär gemacht. Emotionale Intelligenz (kurz: EQ) bezeichnet die Fähigkeit, eigene und fremde Gefühle wahrzunehmen, zu verstehen, zu beeinflussen und angemessen mit ihnen umzugehen.
Sie umfasst fünf zentrale Bereiche:
Selbstwahrnehmung – Wie gut nehme ich meine eigenen Gefühle wahr? (z. B. Lampenfieber oder Überforderung)
Selbstregulation – Wie gehe ich mit intensiven Emotionen um? (z. B. in Auftrittssituationen oder bei Kritik)
Motivation – Was treibt mich an, auch wenn es mal zäh wird?
Empathie – Wie gut kann ich mich in andere einfühlen? (z. B. in Ensembles, Unterricht oder Publikum)
Soziale Fähigkeiten – Wie gestalte ich zwischenmenschliche Dynamiken, z. B. bei Proben, Kollaborationen oder im Musikbusiness?
Warum ist emotionale Intelligenz so wichtig?
Während der IQ eher über das Was entscheidet – was wir wissen, was wir verstehen –, bestimmt der EQ das Wie: Wie wir mit Herausforderungen auf und neben der Bühne umgehen, wie wir Beziehungen gestalten und wie wir auch in schwierigen Situationen wie Konflikten & Krisen handlungsfähig bleiben.
Menschen mit hoher emotionaler Intelligenz …
treffen bessere Entscheidungen, weil sie ihre Gefühle nicht ausklammern, sondern bewusst einbeziehen.
können Kritik & Feedback besser annehmen und geben.
bauen stabilere Beziehungen auf – sei es im privaten oder beruflichen Umfeld.
sind häufig resilienter, also widerstandsfähiger gegenüber Stress.
führen Teams mit mehr Menschlichkeit und Klarheit.
sind empathisch im Zusammenspiel – musikalisch wie menschlich.
verstehen ihre Emotionen als Ressource für Ausdruck und Interpretation.
kommunizieren klarer – mit Kolleg:innen, Veranstalter:innen und sich selbst.
Emotionale Intelligenz ist trainierbar
Die gute Nachricht: Emotionale Intelligenz ist eine Kompetenz, die sich trainieren lässt – genau wie ein Instrument. Wie bei einem Muskel braucht es Aufmerksamkeit, Übung und manchmal auch professionelle Begleitung, um sie zu stärken.
Ein paar konkrete Schritte:
Journaling: Ein Gefühlstagebuch hilft, emotionale Muster zu erkennen und zu reflektieren. Notiere vor oder nach Proben oder Konzerten, was in dir los war – das stärkt die Selbstwahrnehmung.
Eigene Muster kennen: reflektieren über eigene "Schemata", ungünstige Bewältigungsmuster und "Trigger", die diese auslösen kann helfen, langfristig alternative Strategien zur Emotionsregulation zu finden.
Empathie üben: Versuche, dich im Alltag bewusst in andere hineinzuversetzen – auch (oder gerade) bei Menschen, mit denen du Schwierigkeiten hast.
Feedback einholen: Frag Menschen in deinem Umfeld, wie du emotional auf sie wirkst -auf der Bühne oder im zwischenmenschlichen Umgang. Das kann sehr erhellend sein.
Achtsamkeit im Übeprozess: Was fühlst du, wenn du nicht weiterkommst? Wie gehst du mit innerem Druck um? Durch regelmäßiges Innehalten kannst du deine eigenen Emotionen besser wahrnehmen.
Perspektivwechsel üben: Wie wirkt deine Körpersprache auf dein Ensemble? Wie könnte sich dein Publikum fühlen?
Fazit
Emotionale Intelligenz ist kein "Soft Skill", den man sich irgendwann mal zusätzlich aneignet – sie ist ein zentrales Fundament für musikalische Entwicklung, künstlerische Präsenz und zwischenmenschliche Resonanz. In einer Zeit, in der die Anforderungen wachsen und Maschinen vieles übernehmen, bleibt der EQ vielleicht unsere tiefste und menschlichste Stärke.
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